Die Vereinsprinzipien

Versuch einer Standortbestimmung

Die AVM vertritt im Kaleidoskop der unterschiedlichen psychotherapeutischen Schulrichtungen die Verhaltenstherapie, wobei sie sich grundsätzlich am Ansatz der Selbstmanagement-Therapie orientiert, wie sie insbesondere Kanfer, Reinecker & Schmelzer (1991) darstellen. Dies schließt jedoch ergänzende und erweiternde theoretische Konzepte oder Philosophien nicht aus.

Selbstmanagement bedeutet, Klienten in die Lage zu versetzen, ihr Leben wieder ohne therapeutische Hilfe zu gestalten. Therapie stellt in diesem Verständnis einen (zeitlich begrenzten) Lernprozeß dar, im Verlaufe dessen Klienten befähigt werden, ihr tatsächliches Leben und ihre Ziele möglichst in Einklang zu bringen. Da dieser Prozeß des "In-Einklang-bringens" im menschlichen Leben nie beendet ist, bemißt sich die Güte einer "Selbstmanagement-Therapie" u.a. daran, ob es gelingt, Klienten solche Selbststeuerungsmechanismen zu vermitteln, die diese nach Ende der formellen Therapie auch ohne weitere therapeutische Assistenz nutzen und umsetzen können. Im Kern zielt "Selbstmanagement" also darauf ab, Therapie und Therapeuten wieder überflüssig zu machen.

Für Theorie und Praxis des Selbstmanagement sind u.a. folgende Elemente relevant:

  • Oberste Ziele der Therapie sind Autonomie, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung.
  • Aktivität und Eigeninitiative: Trotz gewisser nicht überschreitbarer Grenzen wird eine aktive Rolle von Menschen bei der Gestaltung ihres Lebensschickals bevorzugt.
  • Wertepluralismus: Ein prinzipieller Pluralismus von Lebensstilen und Weltanschauungen bedeutet ein hohes Maß an Toleranz und läßt Raum für das Entwickeln individueller Therpieziele.
  • Individuelles statt schematisches Vorgehen: Wegen des Fehlens allgemeingültiger Kriterien für "Normalität" oder "Krankheit" ist eine gemeinsame Suche nach Problemen und Zielen in jedem Einzelfall notwendig und sinnvoll.
  • Transparenz und Mitbestimmung: Klienten werden über die diagnostisch-therapeutischen Maßnahmen und Abläufe informiert und sind an allen therapeutischen Entscheidungen mit beteiligt.
  • Prinzip der minimalen Intervention: Klienten sollte immer nur mit den jeweils geringstmöglichen Mitteln geholfen werden, welche ausreichen, damit sie wieder autonom leben können (vgl. Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 1990, S. 8-10).

Grundvoraussetzung für therapeutisches Handeln ist ein "bio-psycho-soziales Modell", das menschliches Verhalten und menschliche Erkrankung mulitkausal zu erklären versucht, indem es systematisch die beteiligten psychologischen, biologischen sowie sozialen Bedingungen erfaßt und zu der vorliegenden Störung in Beziehung setzt.

Damit werden psychische und psychosomatische Probleme nicht einfach als "Krankheit" oder "Verhaltensstörung" individualisiert und etikettiert, sondern als multideterminierte Störung betrachtet.

Bei der Beschreibung und Erklärung menschlichen Verhaltens stützt sich der Selbstmanagement-Ansatz auf ein Systemmodell, um die vielfältigen Bedingungen und Aspekte adäquat verarbeiten zu können.

Wichtigstes methodisches Prinzip bleibt die funktionale Analyse des Verhaltens: Problematische Verhaltensmuster werden zunächst auf verschiedenen Ebenen konkret beschrieben und dann hinsichtlich relevanter Bedingungen analysiert. Alle geplanten und umgesetzten Interventionen zielen auf eine Veränderung der eruierten Bedingungen des Problemverhaltens ab (nicht jedoch auf eine bloße Änderung des "symptomatischen" Verhaltens selbst). Zur Organisation des diesbezüglich sinnvollen Vorgehens kann auf ein siebenphasiges Prozeßmodell der Selbstmanagement-Therapie zurückgegriffen werden, welches ebenfalls im Buch von Kanfer, Reinecker & Schmelzer (1990, S. 145-371) dargestellt ist.

Der Selbstmanagement-Therapieansatz ist also als ein übergeordneter Bezugsrahmen zu verstehen, in den unterschiedliche psychologische Theorien sinnvoll eingeordnet werden können, um jeweils optimale verhaltenstherapeutische Methoden begründbar abzuleiten.

Daneben müssen jedoch andere psychosoziale Hilfsmöglichkeiten wie Kriseninterventionsstrategien, Langzeitbetreuung sowie das ganze Spektrum der Klinischen Verhaltenstherapie in die Ausbildung mit aufgenommen werden.

Für die AVM-Ausbildung sowie für die gesamte Art der Vereinsorganisation leitet sich aus dem Selbstmanagement-Ansatz letztlich der Anspruch ab, die dort formulierten Grundannahmen und Vorgehensweisen auch im alltäglichen Umgang der Mitglieder untereinander zu praktizieren ("practice what you preach!").

Gemeindepsychologischer Ansatz als Aspekt des Selbstmanagement-Ansatzes

Die gemeindepsychologische Orientierung der AVM ist eine konsequente Fortführung des Selbstmanagement-Ansatzes mit seinem zugrundeliegenden bio-psycho-sozialen Verhaltens- und Störungsmodell un dem systemischen Denkansatz. Das sozio-ökologische Umfeld konstituiert einen wesentlichen Bedingungsrahmen für die Entwicklung und das psychophysische Befinden des Menschen. Dieses Umfeld wird aber auch innerhalb der gegebenen Bedingungen durch das Verhalten des Individuums gestaltet und gesteuert.

Gemeinwesenorientierung trägt dieser Wechselwirkung Rechnung und soll in der AVM realisiert werden durch:

  • die systematische Berücksichtigung sozio-ökonomischer und -ökologischer Bedingungen in der Problemanalyse;
  • die Befähigung des rat- und therapiesuchenden Menschen, sich konstruktiv mit diesen Bedingungen auseinanderzusetzen und sie - wenn möglich - zu modifizieren;
  • das Aufzeigen von schädigenden Umfeldfaktoren und das gezielte Einwirken auf psychosoziale Strukturen (siehe Satzung), um zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen
  • beizutragen.

Diese Vorstellungen sollen in der Ausbildung realisiert werden. Die AVM nimmt als Verein selbst gemeinwesenorientierte Aufgaben wahr, indem sie diese Ausbildung mit ihrer spezifischen organisatorischen und inhaltlichen Konzeption anbietet. Die Auswahl der Lehrtherapeuten, die in unterschiedlichen klinischen, psychologischen und psychosozialen Einrichtungen und Tätigkeitsfeldern arbeiten, gewährleistet ein breites Erfahrungsspektrum. Probleme der verschiedenen Zielgruppen dieser Einrichtungen und die jeweils adäquaten diagnostischen, therapeutischen oder beratenden Interventionsstrategien können ebenso in die Entwicklung der Gesamtkonzeption der AVM mit einbezogen werden wie die Fragestellungen der Institutionen, ihre Organisations- und Arbeitsformen.

Die dezentrale Organisationsstruktur des Vereins mit lokalen Arbeitskreisen ermöglicht es, flexibel und praxisnah auf die regionalen Besonderheiten einzugehen.

Durch die Anbindung an den Lehrstuhl für Klinische Psychologie der Universität Bamberg und die Begleitung durch den wissenschaftlichen Beirat wurden optimale Voraussetzungen geschaffen, psychosoziale und verhaltensmedizinische Probleme im Kontext des Gemeinswesens auch in Forschung und Lehre zu bearbeiten.

Die AVM will so zu einer Vernetzung der unterschiedlichen psycho-sozialen und klinischen Hilfsangebote in der Region beitragen, sowie zu einer Integration theoretischer und praktischer Arbeit. AVM-Mitglieder werden ausdrücklich darum gebeten, im Rahmen ihrer Kompetenzen an der Verbesserung der psychosozialen Lage in ihrer Region mitzuwirken.