Schizophrenie

Schizophrenie ist eine schwere psychische Krankheit, von der rund 1 % der Bevölkerung betroffen ist. Im Verlaufe ihres Lebens entwickeln rund 1 Million Menschen im deutschen Sprachraum eine schizophrene Störung. Erste Anzeichen von Schizophrenie treten üblicherweise in der späten Jugend und im frühen Erwachsenenalter auf, manchmal beginnt die Entwicklung auch nach dem 30. Lebensjahr. Schizophrenie ist durch eine ganze Reihe verschiedener Symptome gekennzeichnet, nämlich sozialen Rückzug, ungewöhnliches Denken und Sprechen, Äußerungen und Meinungen, die für andere völlig fremd und seltsam erscheinen oder das Hören von Stimmen, ohne daß andere Personen anwesend sind.

Was versteht man unter Schizophrenie?

Bei den meisten Patienten zeigt sich Schizophrenie als eine episodische (d. h. vorübergehende) Krankheit: Symptome treten mit unterschiedlicher Intensität auf und verschwinden nach einer gewissen Zeit wieder. Der Schweregrad der Schizophrenie schwankt von Patient zu Patient, wobei viele Patienten nur ein einmaliges oder seltenes Auftreten der Krankheit erleben, einige Personen allerdings sind dauernd von der Symptomatik betroffen. Fast alle schizophrenen Personen haben Schwierigkeiten zwischen Wirklichkeit und Phantasie zu unterscheiden, im Umgang mit anderen Menschen, in der Arbeitssituation und häufig sogar Probleme für sich selbst zu sorgen und ein eigenständiges Leben zu führen.

Neben den Kernsymptomen der Schizophrenie gibt es einige Aspekte der Störung, die den Schweregrad und den Verlauf charakterisieren. Der Begriff „sub-chronisch“ bezeichnet die Zeit, in der sich erstmals mehr oder weniger durchgehend Anzeichen der Störung zeigen; die Dauer dieser Phase liegt im Bereich von einem halben bis zu zwei Jahren.

„Chronisch“ hingegen meint eine Entwicklung, in der die Symptomatik zumindest über zwei Jahre hinweg andauert. „Akute“ Schizophrenie bezeichnet das Neuauftreten oder die Intensivierung psychotischer Symptome bei einer Person, die vorher symptomfrei oder auf einem stabilen Niveau lebte. Zusätzlich zu diesen Bezeichnungen gibt es noch eine Unterscheidung verschiedener Phasen; diese sind oft schwer zu unterscheiden, weil sie ineinander übergehen können.

Die erste Phase wird als Vor-Erkrankungs-Stadium (Prodromalphase) bezeichnet und fällt durch eine Verschlechterung der psychischen und sozialen Funktionen auf (sozialer Rückzug; unpassende Gefühlsäußerungen; Vernachlässigung der äußeren Erscheinung und der Hygiene).

Die zweite Phase wird als „aktive“ Phase bezeichnet; kennzeichnend sind deutliche psychotische Merkmale über längere Zeit hinweg, sowie eine Beeinträchtigung der beruflichen, sozialen, geistigen und persönlichen Funktionen deutlich unterhalb des Niveaus vor dem Beginn der Krankheit. Die psychotischen Symptome sind Wahnvorstellungen, Halluzinationen, unpassende Gefühlsäußerungen und Störungen des Denkens; die einzelnen Symptome meinen folgendes:

  • Wahnvorstellungen sind unzutreffende Einstellungen und Vermutungen, die einer rationalen Diskussion nicht zugänglich sind. Die Inhalte betreffen meist die Vermutung, verfolgt zu werden oder auch besondere Größenphantasien. Beispiel: Vermutung, von anderen Personen beobachtet, kontrolliert, verfolgt und beeinflußt zu werden.
  • Halluzinationen sind Fehlwahrnehmungen, die von anderen Personen nicht geteilt werden. Beispiel: Hören von Stimmen ohne äußere Quelle oder spezielle Geruchswahrnehmungen.
  • Denkstörungen meinen die Unfähigkeit einer Person, sich zu konzentrieren und logisch und folgerichtig zu denken. Beispiel: Unzusammenhängendes Denken und Sprechen, Wort-Neuschöpfungen etc.
  • Unpassende Gefühlsäußerungen meinen das Äußern von Gefühlen, die dem Denken und Sprechen der Person völlig zuwiderlaufen. Beispiel: Eine Person äußert, vom Teufel verfolgt zu sein und sie lacht dabei.

Als eine weitere Störung auf der Gefühlsebene bezeichnet man auch eine Verflachung aller Affekte oder eine besondere emotionale Ausdruckslosigkeit. Dies zeigt sich zumeist in monotonem Sprechen und Ausdrucksverhalten.

Die dritte Phase der Erkrankung (Residual-Phase) folgt auf die aktive Phase; sie ist durch das Andauern von zumindest zwei Symptomen aus der Prodromalphase gekennzeichnet. In dieser Phase ist es keineswegs ungewöhnlich, wenn psychotische Symptome vereinzelt wieder „aufflackern“ und ebenso rasch wieder verschwinden.

Mythen über Schizophrenie

Im Gegensatz zu vielfach geäußerten Vermutungen (z. T. auch in den Massenmedien) sollte Schizophrenie nicht mit „gespaltener Persönlichkeit“ (einer anderen, sehr seltenen psychischen Störung) verwechselt werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Schizophrenie praktisch auch als „Geisteskrankheit“ oder „Verrücktheit“ bezeichnet. Dies sind keine psychiatrischen Begriffe, sondern lediglich weitverbreitete Beschreibungen von ungewöhnlichem, emotionalem Verhalten. Es ist auch wichtig zu wissen, daß schizophrene Personen keineswegs gewalttätig sind — dies schließt einzelne gewalttätige Ausbrüche nicht aus (dies gilt aber ebenso für „gesunde“ Personen).

In verschiedenen Familien herrscht z.T. die Sorge, sie seien für die Krankheit verantwortlich. Dazu muß man sagen, daß es keine wissenschaftliche Grundlage für die Vermutung gibt, daß Schizophrenie durch die Familie verursacht wurde. Auf der anderen Seite gibt es klare Hinweise, daß die Familie zur Verbesserung der Störung enorm viel beitragen kann.

Ursachen der Schizophrenie

Trotz vielfältigen Bemühungen ist es bisher nicht gelungen, die Ursache von Schizophrenie zu finden. Man geht heute davon aus, daß Schizophrenie auf eine Kombination unterschiedlicher Faktoren zurückzuführen ist. Strukturelle Veränderungen des Gehirns sowie eine Störung chemischer Gehirnprozesse (auf der Ebene von Neurotransmittern) sind zwei Faktoren, die mit der Störung zusammenhängen.

Untersuchungen an Familien von Schizophrenen zeigen darüber hinaus, daß bei Verwandten ersten Grades das Risiko ebenfalls an Schizophrenie zu erkranken rund zehnfach erhöht ist. Die angeführten strukturellen, biochemischen und genetischen Faktoren bilden in Kombination offenbar eine individuelle Vulnerabilität (d. h. Anfälligkeit, Verletzbarkeit) für die Entwicklung von Schizophrenie. Die Vulnerabilität ist vermutlich auch für den Verlauf der Störung entscheidend.

Streßfaktoren bilden offenbar auch wichtige Faktoren bei der Ausformung von Schizophrenie. Persönliche und familiäre Lebensereignisse wie der Auszug eines Jugendlichen aus dem Elternhaus, der Beginn einer neuen beruflichen Laufbahn, ein Todesfall in der Familie und das Zerbrechen von persönlichen oder sozialen Beziehungen gehen dem Ausbruch der Störung häufig voraus. Diese Stressoren stellen für die Anpassung und Bewältigungsmechanismen einer Person eine besondere Belastung dar. Nach unserem heutigen Wissen stellt die Unfähigkeit einer Person, spezielle Stressoren zu bewältigen, in Kombination mit der strukturellen, genetischen und biochemischen Vulnerabilität einen wichtigen Faktor bei der Entstehung von Schizophrenie dar.

Behandlungsansätze

Obwohl viele schizophrene Personen immer wieder von psychotischen Symptomen betroffen sind, können Patienten durch entsprechende Unterstützung durchaus effektive Hilfe bekommen. Es gibt für Schizophrenie nicht die Behandlung; als zielführend erweisen sich verschiedene Zugänge, die einer Person helfen, ein selbständiges und unabhängiges Leben zu führen.

Ein wichtiges Standbein der Behandlung bildet die antipsychotische Medikation durch Neuroleptika, was die Prognose für die Krankheit deutlich verbessert hat. Die Medikamente stellen keine „Heilung“ der Schizophrenie dar, sondern sie reduzieren die Intensität und Häufigkeit der psychotischen Symptomatik, was der Person das Leben sehr erleichtert. Medikamente stellen in der Behandlung von Schizophrenie allerdings einen notwendigen ersten Schritt dar.

Der zweite Schritt besteht in der psychiatrischen Rehabilitation; dies wird zumeist in gemeindenahen Zentren realisiert. Psychiatrische Rehabilitation befähigt den Patienten, persönliche und soziale Fertigkeiten wieder zu erlernen, um damit den Erfordernissen des täglichen Lebens nachzukommen. Dies ist insofern bedeutsam, weil Schizophrenie häufig in die für das Berufsleben besonders wichtige Lebensspanne (18. bis 35. Lebensjahr) fällt. Damit leiden schizophrene Patienten nicht nur unter Gefühls- und Denk-Störungen, sondern sie bleiben auch im sozialen und Arbeitsbereich benachteiligt. Rehabilitation hilft dem Patienten beim Erlernen von sozialen und beruflichen Fertigkeiten; dies bildet eine wichtige Grundlage für die Unabhängigkeit des Patienten. Ein Element des Trainings besteht auch darin, den Patienten für erste Signale des Rückfalls zu sensibilisieren, ihn in der Bewältigung seiner Symptomatik zu stützen und insbesondere Streßfaktoren auszuschalten oder zu umgehen. Berufliches Training — zunächst im geschützten Rahmen — macht eine Person auch in sozialer und finanzieller Hinsicht wieder weitgehend unabhängig.

Familiäre Unterstützung

Viele schizophrene Personen leben im Familienverband; es ist unbedingt notwendig, daß die Familie ein entsprechendes Verständnis der Störung und der damit verbundenen Probleme besitzt. Innerhalb psychiatrischer Rehabilitations-Programme bildet die Streßreduktion auf familiärer Ebene einen unerläßlichen Ansatzpunkt. Der Patient sollte die Familie nicht als Belastung, sondern als Unterstützung erleben. Die Familie selbst bedarf vielfach auch entsprechender Hilfe und Unterstützung.

Eine wichtige Ergänzung stellen Selbsthilfe-Gruppen dar; gerade wegen der dauerhaften Unterstützung bilden Personen von Selbsthilfe-Gruppen — zumeist ehemalige Patienten oder Familienmitglieder von Patienten — einen bedeutsamen Faktor der Unterstützung. Die Gruppen sind nicht selten ein Bindeglied zwischen einzelnen Institutionen und ein Anwalt der Bedürfnisse von Betroffenen.

Weiterführende Literatur

Hell, D. & Gestefeld, M. (1988). Schizophrenien. Orientierungshilfen für Betroffene. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag.

Was ist Verhaltenstherapie?

Verhaltenstherapie ist ein spezielles Behandlungsverfahren, das sich auf bewährte Forschungsbefunde stützt; Verhaltenstherapie bildet für Patienten eine Hilfestellung, um spezielle Veränderungen in Gang zu setzen und entsprechende Ziele zu erreichen. Solche Ziele betreffen unter anderem:

  • Merkmale des Verhaltens, z.B. aktives Sozialverhalten; Reduktion von Alkohol- oder Zigarettenkonsum.
  • Art der Gefühle, z.B. Hilfestellungen für eine Person, sich weniger ängstlich oder weniger depressiv zu fühlen.
  • Veränderung von Denkmustern, z.B. lernen Probleme zu lösen und zuversichtlichere Gedanken zu entwickeln.
  • Art des Umgangs mit körperlichen Beschwerden, z.B. Veränderung des Schmerzerlebens oder des Umgangs mit ärztlichen Verschreibungen.
  • Eine Art der Bewältigung, z.B. Hilfestellungen für behinderte Personen oder des Zurechtkommens im Arbeitsbereich.

Verhaltenstherapie und kognitive Therapie beziehen sich in erster Linie auf das Hier und Jetzt, d.h. auf die gegenwärtige Situation und ihre Bedingungen (und nicht so sehr auf die Vergangenheit des Patienten). Wichtige Ansatzpunkte sind die konkreten Verhaltensmuster und Sichtweisen einer Person. Verhaltenstherapeuten arbeiten mit Einzelpersonen, mit Eltern, Kindern, Paaren, Familien und Gruppen.

Zentrale Ziele der Verhaltenstherapie sind die Hilfe bei der Veränderung hinderlicher Denk- und Verhaltensmuster sowie eine Unterstützung beim Erlernen zielführender Strategien; damit sollen Patienten generell mehr Kontrolle über ihr Leben bekommen.

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