Depression

Depression gehört zu den häufigsten psychischen Störungen. Den meisten Menschen ist Depression im Sinne gedrückter Stimmung und Niedergeschlagenheit durchaus bekannt; in sehr vielen Familien leben Menschen, die von behandlungsbedürftigen depressiven Episoden betroffen sind. Neben der direkten Belastung durch die Störung und der Beeinträchtigung der Familie bilden auch die sozialen und ökonomischen Kosten (z.B. durch Fehlzeiten bei der Arbeit) für jede Gemeinschaft eine Belastung.

Hauptmerkmale

Das Hauptmerkmal klinischer Depression besteht in einer stark gedrückten Stimmung; vom Patienten selbst wird dies als Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung erlebt. Depressive Stimmung geht zumeist mit einer Abnahme sozialer Aktivitäten und Beziehungen einher. Dazu kommt beim Patienten Antriebslosigkeit, Passivität und Rückzug. Auf der anderen Seite nehmen Klagen, Weinen sowie körperliche Beschwerden stark zu.

Kognitive (gedankliche) Merkmale:

Als kognitive Merkmale der Depression bezeichnet man Veränderungen der Wahrnehmung, des Denkens und des Gedächtnisses. Bei Depressionen meint dies u.a. die Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit und der Erinnerung. Patienten denken, daß sie selbst wertlos sind, daß sich Dinge niemals zum Besseren wenden werden und daß alles schlimm und immer schlechter werden wird. Patienten richten ihre Aufmerksamkeit nur auf negative Aspekte und sind kaum noch in der Lage, auch positive Dinge zu sehen und zu schätzen.

Biologische Merkmale:

Biologische Merkmale der Depression beinhalten Schlafstörungen (insbesondere eine Schwierigkeit einzuschlafen und frühes Aufwachen), Appetitlosigkeit, Verlust sexuellen Interesses und damit verbunden eine Vermeidung sexueller Aktivität sowie eine andauernde Müdigkeit und Antriebslosigkeit im Tagesverlauf. Es ist auch wichtig zu wissen, daß Depression häufig mit Gefühlen der Angst, des Ärgers und der Feindseligkeit einhergeht. Bei rund 10 % der Patienten ist Alkohol-oder Medikamentenmißbrauch als Folge der Depression festzustellen.

Häufigkeit

Bei rund 6 % der Frauen und ca. 3 % der Männer erreicht Depression während des Lebens eine so starke Ausprägung, daß eine Behandlung notwendig wird. Depression kann schon — wenn auch deutlich seltener —im Kindesalter vorkommen. Im Laufe der Entwicklung nimmt die Häufigkeit von Depressionen zu und erreicht im Alter von 14 bis 15 Jahren die Rate von Erwachsenen. Im Alter nimmt das Neuauftreten von Depressionen zwar leicht ab, bleibt aber dennoch ein ausgesprochen ernstzunehmendes psychisches Problem.

Ursachen

Kritische Lebensereignisse:

Zur Frage kritischer Belastungen gibt es zwar keine endgültigen Antworten, einige wichtige Befunde sind doch bekannt. Als Auslöser der Depression spielen kritische Lebensereignisse eine bedeutsame Rolle; dazu zählen Verlusterlebnisse durch Tod, Scheidung und Trennung, aber auch finanzieller Verlust oder Umzug. Diese äußeren Faktoren hängen mit der Entstehung von Depressionen unter anderem deshalb zusammen, weil mit diesen Lebensereignissen ein Verlust sozialer Beziehungen und eine Abnahme sozialer Fertigkeiten einhergeht.

Problematische Denkmuster:

Eine wichtige Ursache depressiver Störungen sind in problematischen Denkmustern zu sehen. Diese beinhalten eine Verzerrung oder Übertreibung negativer Entwicklungen und überzogene negative Schlußfolgerungen aus kritischen Lebensereignissen (z.B. daß man selbst Unglück anziehe . . .). Ganz allgemein weist der Depressive eine negative Sicht von sich selbst, von der Umgebung und von der Zukunft auf (Beispiel: “Ich bin nichts“, “Alle denken schlecht über mich“, “Aus mir wird nie etwas“). Man könnte zwar meinen, daß falsche Denkmuster eine wohl zu einfache Erklärung für die Entstehung einer klinischen Depression darstellten; neuere Forschungsergebnisse zeigen allerdings, daß problematisches Denken — vor allem im Zusammenwirken mit anderen Faktoren — einen wichtigen Aspekt der Aufrechterhaltung depressiven Verhaltens bildet.

Biochemische Störungen

Innerhalb depressiver Störungen spielen mehrere biochemische Faktoren eine ausschlaggebende Rolle. Man muß zunächst von einer möglicherweise vererbten Anfälligkeit der Person ausgehen, die durch verschiedene äußerer Faktoren aktiviert wird. Eine solche Aktivierung kann durch kritische Lebensereignisse ebenso erfolgen, wie durch eine Summe kleinerer, aber dauernder Belastungen. Insgesamt spricht man für diesen Bereich von einer speziellen Verletzbarkeit (Vulnerabilität) für eine Störung. Die angeführten biologischen Merkmale der Depression (Schlafstörung; Appetitlosigkeit; Müdigkeit; Verlust sexuellen Interesses . . .) müssen auch im Zusammenhang mit einer biochemischen Störung gesehen werden.

Behandlung

In den letzten Jahren sind ausgesprochen effektive Behandlungsverfahren für Depressionen entwickelt worden; auch wenn eine Person unter einer schweren klinischen Depression leidet, kann sie eine merkliche Verbesserung innerhalb von drei bis vier Wochen bereits spüren und mit einer Therapie (drei bis sechs Monate) kann den meisten Menschen auch langfristig geholfen werden.

Verhaltenstherapien

Kognitiv verhaltenstherapeutische Ansätze gehören zu denjenigen Therapieverfahren, die sich im Rahmen umfangreicher Forschungsbemühungen als äußerst effektiv zur Behandlung depressiver Störungen herausgestellt haben. Verhaltenstherapeutische Ansätze helfen Patienten, zielführende Fertigkeiten zu entwickeln, um kritische Lebensereignisse zu bewältigen und wieder soziale Beziehungen aufzubauen (bzw. erst herzustellen). Kognitive Therapie baut auf dieser Entwicklung von Verhaltensfertigkeiten auf und zielt insbesondere auf eine Korrektur problematischer Denkmuster ab. Insgesamt kann man sagen, daß die meisten Menschen mit klinischer Depression durch kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze eine Besserung erfahren; die Therapieverfahren sind inzwischen auch im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung weitgehend etabliert.

Medikation

Schwere Depressionen bedürfen durchaus auch der Medikation; dies gilt insbesondere, wenn biologische Beeinträchtigungen im Vordergrund stehen. Die Medikation sollte von einem Facharzt sorgsam auf die Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sein; als besonders wichtig stellt sich eine Kombination der Medikation mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansätzen heraus (dies gilt insbesondere für die Stabilisierung und für langfristige Effekte der Therapie).

Resümee

Viele Menschen meinen, Depression ginge von selbst wieder weg, wenn man sich nur “zusammenreiße“; für eine kleine Anzahl von Patienten trifft dies durchaus zu. Unglücklicherweise ist dies jedoch in der Regel nicht der Fall; wenn Sie also unter einer schweren Depression leiden ist es am sinnvollsten, eine zielführende Therapie aufzusuchen. Erfreulicherweise gibt es Therapieansätze, die sich für die Behandlung der Depression als zielführend herausstellen und die helfen, das damit verbundene Elend zu bewältigen.

Weiterführende Literatur

Lewinsohn, P. M., Munoz, R. F., Yonngren, M. A., Zeiss, A. M. (1982). Der Weg zum seelischen Gleichgewicht —Depressionen erkennen, überwinden, vermeiden. Otto Müller Verlag, Salzburg.

Was ist Verhaltenstherapie?

Verhaltenstherapie ist ein spezielles Behandlungsverfahren, das sich auf bewährte Forschungsbefunde stützt; Verhaltenstherapie bildet für Patienten eine Hilfestellung, um spezielle Veränderungen in Gang zu setzen und entsprechende Ziele zu erreichen. Solche Ziele betreffen unter anderem:

  • Merkmale des Verhaltens, z.B. aktives Sozialverhalten; Reduktion von Alkohol- oder Zigarettenkonsum.
  • Art der Gefühle, z.B. Hilfestellungen für eine Person, sich weniger ängstlich oder weniger depressiv zu fühlen.
  • Veränderung von Denkmustern, z.B. lernen Probleme zu lösen und zuversichtlichere Gedanken zu entwickeln.
  • Art des Umgangs mit körperlichen Beschwerden, z.B. Veränderung des Schmerzerlebens oder des Umgangs mit ärztlichen Verschreibungen.
  • Eine Art der Bewältigung, z.B. Hilfestellungen für behinderte Personen oder des Zurechtkommens im Arbeitsbereich.

Verhaltenstherapie und kognitive Therapie beziehen sich in erster Linie auf das Hier und Jetzt, d.h. auf die gegenwärtige Situation und ihre Bedingungen (und nicht so sehr auf die Vergangenheit des Patienten). Wichtige Ansatzpunkte sind die konkreten Verhaltensmuster und Sichtweisen einer Person. Verhaltenstherapeuten arbeiten mit Einzelpersonen, mit Eltern, Kindern, Paaren, Familien und Gruppen.

Zentrale Ziele der Verhaltenstherapie sind die Hilfe bei der Veränderung hinderlicher Denk- und Verhaltensmuster sowie eine Unterstützung beim Erlernen zielführender Strategien; damit sollen Patienten generell mehr Kontrolle über ihr Leben bekommen.

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