Vereinsgeschichte

Vorwort

Seit ihrer Gründung hat sich die AVM darum bemüht, eine Ausbildung anzubieten, die die fortlaufenden Veränderungen der Klinischen Psychologie und die Entwicklung des Berufsbildes Therapeut*in von einer Tätigkeit, die zum Teil auf Intuition, Alltagsbeobachtung und nicht geprüften Theorien basiert, zu einem Beruf, der sich auf empirisch abgesicherte Theorien und Techniken (s. S. 5–7) stützt, reflektiert.

Das Selbstmanagement-Konzept stellt ein solches Modell dar. Es wurde auf der Grundlage von Lerntheorien entwickelt und durch die Einbeziehung von Forschungsergebnissen und Methoden der Kognitions-, Emotions- und Sozialpsychologie erweitert. Neuere Weiterentwicklungen des Ansatzes beziehen auch Vorgehensweisen mit ein, die durch Entwicklungen in der Neurophysiologie und der Biologie angeregt wurden.

Der Schwerpunkt des ursprünglichen Modells lag darauf, Klient*innen durch Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstverstärkung aktiv in den Behandlungsprozess einzubeziehen. Dieser Aspekt unterschied den Selbstmanagementansatz vom traditionellen medizinischen Behandlungsmodell, in dem Klient*innen eine passive Rolle haben und es als Aufgabe der Therapeut*in betrachtet wird, Symptome zu lindern oder Krankheiten zu heilen.

Im Selbstmanagementansatz dagegen ist es Aufgabe der Therapeut*in, Klient*innen dabei zu unterstützen und anzuleiten, ihre eigenen Probleme zu analysieren, erreichbare Ziele zu entwickeln und Problemlösungen zu realisieren, die ihren persönlichen Charakteristika und ihrer Lebenssituation angepasst sind und so ihre Lebenszufriedenheit erhöhen.

Um dies zu erreichen, setzen Therapeut*innen manchmal Methoden aus anderen Schulen ein – allerdings im Rahmen des Selbstmanagement-Ansatzes. Das Ziel ist nicht nur Symptomfreiheit, sondern Klient*innen zu befähigen, persönliche Probleme in der Zukunft vorherzusehen, zu vermeiden oder ohne professionelle Hilfe zu lösen.

Der Selbstmanagement-Ansatz wird nicht nur in der Behandlung von Klient*innen mit psychischen Störungen eingesetzt, sondern seit einiger Zeit auch im Kontext von Beruf, Partnerschaft und anderen sozialen Situationen, um Klient*innen beim Erreichen ihrer persönlichen Ziele zu unterstützen und ihre Lebensqualität zu fördern.

Die Ausbildung der AVM soll Therapeut*innen in die Lage versetzen, das Selbstmanagement-Modell zu verstehen und anzuwenden.

Zur Entwicklung der AVM - eine Standortbestimmung

Die deutsche AVM steht einerseits als Berufs- und Fachverband in der Tradition der mehr als 100-jährigen Geschichte der Verhaltenstherapie und ist andererseits als Träger staatlich anerkannter Ausbildungsgänge, beruflicher Weiterbildungen und Fortbildungen eine starke Partnerin für die Vertretung beruflicher Interessen ihrer Mitglieder. Von jeher sieht sich die AVM als Förderin der Verhaltenstherapie in Deutschland, als auch in enger Kooperation mit den Schwesterverbänden in Österreich und der Schweiz in ganz Europa. Die AVM ist Ansprechpartnerin für Fragen der Fachöffentlichkeit und beteiligt sich schulenübergreifend an der Etablierung einer angemessenen psychotherapeutischen Versorgung, die besonderen Wert auf die Interessen der Klienten und Patienten legt. Die AVM ist aktiver Teil der deutschen und europäischen psychotherapeutischen Verbändelandschaft und steht mit ihrer lösungsorientierten, systemischen Selbstmanagementorientierung berufspolitisch auf der Seite einer fortschrittlichen, gemeindepsychologisch orientierten Gesundheitspolitik, die sich am Gemeinwohl und der sozialen Verantwortung orientiert. Seit ihrer Gründung 1991 zeichnet sich die AVM als gemeinnütziger Verein mit einer klaren "Non-Profit" Orientierung aus.

Um den schrittweisen Prozess bis zur Gründung der deutschen AVM aufzuzeigen, muss zunächst auf die österreichischen Wurzeln eingegangen werden: Die AVM konstituierte sich formell 1975 nach einigen Jahren loser fachlicher Kontakte in Salzburg. Aus dieser Zeit der verhaltenstherapeutischen Verbandsdifferenzierungen besteht die auch heute noch freundschaftliche Nähe zur Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (dgvt). Durch die vergleichsweise flexible Weiterbildungsstruktur der AVM hat sich im Verlauf der Jahre eine stürmische Mitgliederentwicklung der AVM sowohl in Österreich, der Schweiz, als auch Deutschland ergeben. In Deutschland entwickelten sich v.a. im süddeutschen Raum eigenständige Arbeitskreise, welche die inhaltliche Arbeit des Verbandes im wesentlichen Umfang für die bundesweit organisierten Mitglieder tragen. Diese Arbeitskreise organisieren von Anfang an den Weiterbildungszweig mit Abschluss zum/zur "Verhaltenstherapeut/Verhaltenstherapeutin" AVM. So haben bis zum heutigen Datum weit über 1.000 KollegInnen diese gestuft zertifizierte Weiterbildung durchlaufen.

Der Aufbau

Betrachtet man die historischen Grundlagen der AVM so ist festzuhalten, dass die Entstehung der AVM eng mit den Reformansätzen in der psychiatrischen Versorgung v.a. in den späten 70er Jahren des letzten Jahrhunderts verbunden ist. Die Gründung der AVM lässt sich unter diesem Blickwinkel auch als engagierte Teilnahme von Psychologen an dieser Reformbewegung verstehen. Die AVM wollte und will seit ihrer Existenz ihren fachlichen Beitrag zu einer Überwindung der gesellschaftlichen Ausgrenzung psychischen Leids leisten. So war es für die AVM in ihrer ersten Phase ein wichtiges Anliegen den damals "klassischen Blick" zu überwinden, der die Menschen als Subjekte mit ihren psychosozialen Problemen aus ihrem jeweiligen sozialen Kontext herauslöst. Vier fachliche Schwerpunkte sind in der Gründungsphase der AVM nachvollziehbar:

  • Kritik am medizinischen Modell psychischer Störungen
  • Aneignung sozialepidemiologischer Forschung zur Aufklärung des Zusammenhangs zwischen psychischem Leid und sozialen Lebensbedingungen
  • Etablierung einer ressourcenorientierter Verzahnung von Wissenschaft und Praxis
  • Aufbau einer VT-Weiterbildung, die flexibel Kompetenzen für Psychologen graduiert, als auch post graduiert vermittelt

Die Differenzierung

Ende der 80er-Jahre zeigte sich, dass ein einheitliches Ausbildungsmodell für Österreich, Deutschland und die Schweiz aufgrund der landesspezifischen, berufsständischen wie politischen Situationen nicht sinnvoll war und eine Differenzierung nach einer eigenständigen deutschen Linie der AVM unumgänglich ist. Mit der Gründung der deutschen AVM 1991 beginnt die zweite große Phase in der Verbandsentwicklung.

Hier erwies sich die vergleichsweise kleine und dezentral-flexible Vereinsstruktur, die in der Regel an Universitäten angegliedert war, als großer Vorteil. Die AVM legte schon frühzeitig den Grundstein für eine möglichst hohe Kompatibilität mit Kriterien anderer Aus- und Weiterbildungen in Deutschland (z. B. BDP, DGVT). Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellte die Etablierung eines curricularen, dreijährigen, akkreditierten Weiterbildungsmodells 1995 dar. Mit diesem Modell entschied sich die AVM, ihre gemeindepsychologische, ressourcenorientierte, systemische und am Selbstmanagementkonzept der VT orientierte Weiterbildung nicht in das damals etablierte KV-Institutesystem einzubinden. Eine Einbindung in dieses System hätte für die AVM zum damaligen Zeitpunkt einen Paradigmenwechsel erfordert, der im diametralen Gegensatz zu Geist und Auftrag der AVM gestanden hätte.

Nichtsdestotrotz setzte sich die AVM mit aller Kraft dafür ein, dass Kolleg*innen im Rahmen des sogenannten Erstattungsverfahrens mit den Krankenkassen und Kostenträgern verhaltenstherapeutische Leistungen abrechnen konnten. Neben dem nationalen Engagement nahm die AVM verstärkt internationale Aufgaben wahr. So wurde die AVM Mitglied der European Association of Behavioral Therapy (EABCT).

Die Etablierung

Mitte der 90er-Jahre begann die AVM, sich verstärkt in die Diskussion eines Psychotherapeut*innengesetzes in Deutschland einzubringen. Auch aus den Erfahrungen, die der österreichische Schwesterverband mit dem österreichischen Psychotherapeut*innengesetz gemacht hatte, war es möglich, mehr und mehr AVM-Spezifika in den Gesetzesentwicklungsprozess einzubringen. Besonders bei der Umsetzung der Approbationsvorschriften konnte die AVM gerade für die angestellten Kolleg*innen in den Beratungsstellen die Möglichkeit zur Erlangung der Approbation nach den Übergangsregelungen sichern.

Um diese Erfolge im Gesetzgebungs- und Implementierungsverfahren zu sichern und auszubauen, wurde die AVM Mitgliedsverband der Allianz psychotherapeutischer Fach- und Berufsverbände (ALLIANZ), Mitgliedsverband am Gesprächskreis II der psychotherapeutischen Fach- und Berufsverbände und entschied sich für den Aufbau staatlich anerkannter psychotherapeutischer Ausbildungsgänge. Seit 2000 kann die AVM Psychologische Psychotherapeut*innen ausbilden. Das klassische Weiterbildungsprogramm zur/zum „Verhaltenstherapeut*in AVM“ wird stetig weiter differenziert; die eigene Verbandsweiterbildung sichert am besten, dass Entwicklungen in der VT ohne wesentliche Zeitverzögerungen in die Ausbildungsordnung zur/zum Psychologischen Psychotherapeut*in aufgenommen werden können.

Neben der eigenen VT-Verbandsweiterbildung, der staatlich anerkannten Ausbildung zum/zur PP/KJP, bietet die AVM auch spezifische Fachweiterbildungen an. So stellt das schmerztherapeutische Curriculum der AVM ein modulares Weiterbildungskonzept dar, das auch für die Zukunft wegweisend bleiben wird.

Ein Ausblick

Die AVM hat sich im Verlauf ihrer stürmischen Entwicklung bundesweit und auch auf europäischer Ebene fest etabliert. Viele ihre Mitglieder tragen Verantwortung z.B. in den Gremien der Psychotherapeutenkammern, berufsständischer Einrichtungen allgemeiner Art. So bleibt die Hoffnung und die Zuversicht, dass gerade die "Grundwerte" der AVM wie "Selbstmanagementansatz", "Ressourcenorientiertheit", "Systemperspektiven", "Gemeindepsychologische Orientierung", auch in Zukunft ihre besondere Bedeutung entfalten werden.

Das produktive Bewahren und Weiterentwickeln dieser bewährten Grundpositionen bleiben eine der zentralen Verbandsaufgaben im Prozess der Fortschreibung der Verhaltenstherapie. Eine Zukunftsaufgabe besteht darüber hinaus in der Erschließung von Berufsfeldern für klinisch qualifizierte Psycholog*innen als Bewältigungs- und Veränderungsexpert*in, zwei Beispiele hierfür sind Coaching und Notfallpsychologie.

Besonders in Zeiten der Verteilung begrenzter Ressourcen im Gesundheitssystem und eingeschränkter finanzieller Rahmenbedingungen gewährleistet die AVM eine starke Interessensvertretung ihrer Mitglieder. Darüber hinaus sind weitere Entwicklungen hinsichtlich eines breiteren Dienstleistungsangebots sowohl für Mitglieder, als auch für andere Gruppen absehbar und wünschenswert. So wird die AVM, gerade wegen ihrer engen Verzahnung von Wissenschaft und Praxis, für Psychotherapeut*innen auch in Zukunft besonders attraktiv bleiben.